Deutschland bräuchte auch so ein Gesetz wie Georgien
Von Dagmar Henn
Jetzt muss man als Deutsche sogar auf Georgien neidisch sein. Das ist wirklich gemein. Warum? Weil eigentlich genau eine derartige Pflicht, ausländische Finanzierung kenntlich zu machen, zumindest etwas Klarheit in diesen Astroturfing-Saustall bringen würde, den die deutsche politische Szenerie derzeit darstellt. Und es wäre schlicht eine Freude, wenn beispielsweise der freundliche Austausch von Kurznachrichten zwischen dem Handy einer Ursula von der Leyen und einem Vertreter des US-Konzerns Pfizer irgendwo gemeldet werden müsste, als Kontakt mit einem Lobbyisten aus einem Drittstaat. Oder wenn, beispielsweise, Medienkonzerne wie Facebook der Regel unterlägen, alle Handlungen zu unterlassen, die ihr Angebot im Interesse der US-Politik filtern.
Ach, ein schöner Traum. Die EU bastelt gerade an einer Richtlinie, bei der es um den Umgang mit "Interessenvertretung von Drittstaaten" geht. Ein Dokument, das alle abstoßenden Eigenschaften von EU-Dokumenten in sich vereint. Schwer lesbar, arrogant, und himmelweit von einer Sicht entfernt, die irgendwie mit Demokratie zu tun hat. Denn problematisch ist es nur, wenn es um russische Interessen geht; an sich betrachtet man diese Interessenvertretung von Drittstaaten als legale Dienstleistung, die möglichst wenig eingeschränkt werden sollte.
Und es wird selbstverständlich nur beabsichtigt, offen sichtbare politische Werbung irgendwie zu kennzeichnen. Das ist aber nur ein winziger Bruchteil und geradezu der ungefährlichste Anteil, weil direkte politische Aussagen meist noch einfach zuzuordnen sind.
Aber wie ist es beispielsweise mit Organisationen wie der Deutschen Umwelthilfe, die auf ganz andere Weise, nämlich durch Klagen vor deutschen Gerichten, besagte Interessen von Drittstaaten vertritt, und dabei so tut, als sei sie eine ganz harmlose Umweltschutzorganisation? Wie steht es mit der Finanzierung von Strukturen wie Fridays for Future? Sicher, es ist mittlerweile nicht ausgeschlossen, dass da auch die deutsche Oligarchie beteiligt ist, schließlich ist der Reemtsma-Clan prominent genug vertreten. Aber es wäre dennoch schön, wenn da zumindest ein Etikett zu sehen wäre, das ein wenig weiter hilft.
Oder das Zentrum Liberale Moderne, diese olivgrüne Giftspritze rund um Marie-Luise Beck und Ralf Fücks: Alliance for Open Society International, Contestations of the Liberal Scripts, National Philantropic Trust und (der darf, weil sowieso westlicher Agent) The Khodorkovsky Foundation finden sich unter den Kooperationspartnern und Zuwendungsgebern; dazu kommen dann noch ein paar deutsche Oligarchenstiftungen (der Verband der Chemischen Industrie dürfte das mittlerweile bitter bereuen, seit die Energiepreise zum Abbruch der Zelte in Deutschland zwingen) und ganz viele Quellen für Regierungsmittel.
Es wäre interessant zu wissen, ob dieser Laden nun als US-Agent gesehen werden muss, finanziell. Politisch ist das keine Frage, wenn man genauer betrachtet, wofür sich diese Truppe einsetzt und wann. Schließlich waren Fücks und Beck die fanatischsten Ukro-Fanboys selbst unter den in dieser Hinsicht schon reichlich geschädigten Grünen.
Was die EU-Kommission antreibt, einen Richtlinienentwurf vorzulegen, ist eher die Befürchtung, Mitgliedsländer könnten selbst Vorschriften erlassen (was im Falle Ungarns bereits geschehen ist), und die Hoffnung, man könne das in Zukunft mit Verweis auf eine entsprechende EU-weite Regelung abschmettern. Das zeigt sich an folgender Bemerkung zu solchen Vorschriften:
"Die Hindernisse für die Erbringung solcher Dienstleistungen in mehr als einem Mitgliedsstaat, die innerhalb des Binnenmarkts durch die unterschiedlichen Vorschriften für Interessensvertretungstätigkeiten im Auftrag von Drittländern entstehen, dürften daher zunehmen."
Wenn dann politisch argumentiert wird, klingt auch das seltsam.
"Verdeckte Interessenvertretungstätigkeiten im Auftrag von Drittländern können sich auf die Erarbeitung, Formulierung oder Umsetzung der Innen- und Außenpolitik der Union sowie auf ihre Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen auswirken. Dies wiederum wirkt sich auf die Demokratie im Allgemeinen aus, die einen gemeinsamen Wert der Union darstellt, dessen Sicherung für die Union und ihre Mitgliedstaaten von grundlegender Bedeutung ist."
Wie soll man das sagen – dieses Kind liegt bereits im Brunnen. Und auch die EU-Bürokratie selbst, deren Spitze die Kommission bildet, ist nicht wirklich daran interessiert, die nationalen Interessen der EU-Länder zu fördern. Im Gegenteil, am liebsten wäre es ihr, würden derartige Interessen gar nicht mehr gedacht werden, ein Zustand, der mittlerweile beinahe erreicht ist.
Natürlich ist dieses Dokument gespickt mit Wörtern wie "Transparenz", die üblichen Werbefloskeln, hinter denen sich eine Praxis verbirgt, die zutiefst korrupt ist, wie die Geschichte um von der Leyen und ihre SMS belegt. Aber letztlich ist nicht zu übersehen, dass die Dienstleistungsfreiheit weit über der Demokratie steht, und noch wesentlich weiter über dem Interesse der Bevölkerungen der EU-Mitgliedsstaaten, dass auch ihre Interessen irgendwie zum Zug kommen. Die werden mit den berühmten Werten vertröstet wie ihre Vorfahren einst mit einem besseren Leben im Jenseits.
Ja, sogar der Schutz von Geschäftsgeheimnissen steht über dem Schutz der demokratischen Prozesse. Was gleich sicherstellt, dass die Algorithmen, die dafür sorgen, dass bei Google und Facebook US-Freundliches vor US-Feindliches sortiert wird, nie und nimmer infrage gestellt werden. Nicht einmal, weil es sich dabei um eine Manipulation der politischen Wahrnehmung und damit selbstverständlich auch des Prozesses der politischen Meinungsbildung handelt (und zwar in diesem Falle tatsächlich verborgen, während bei uns bei RT die Zuordnung für jedermann offen erkennbar ist, was die ganzen Vorwürfe von "russischer Desinformation" eigentlich von vorneherein absurd macht). Nein, die beiden monströsen Maschinen zur Erzeugung einer proamerikanischen Weltsicht könnten sich auf das heilige Geschäftsgeheimnis berufen, das eine Offenlegung ihres Gebarens unmöglich macht.
Die ganze EU ist und bleibt ein Sumpf. Und die Frösche werden niemals zulassen, dass er trockengelegt wird. Stattdessen werden allen Staaten Vorhaltungen gemacht, die es wagen, den entsprechenden Einflussorganisationen der EU die Arbeit zu erschweren. Oder den deutschen Parteistiftungen, die mit zu diesem gigantischen Gewebe politischer Manipulation gehören, bis hin zur gezielten Züchtung genehmer politischer Eliten. Vor vielen Jahren gab es da einmal ein Bilderbuchbeispiel in Honduras, als die Stiftung der FDP nicht nur einen Putsch vorbereitete, sondern auch das dafür erforderliche Personal ausgebrütet hatte.
Das macht es natürlich besonders mühsam, eine solche Fantasie Wirklichkeit werden zu lassen. Denn sollte man in Deutschland eine Erkennbarkeit (und um mehr geht es eigentlich erst einmal nicht) solcher auf Beeinflussung politischer Prozesse zielender Strukturen durchsetzen wollen, hieße das auf der anderen Seite, dass auch derartige Tätigkeiten von deutscher Seite zumindest überdacht werden müssten.
Und da ist es mitnichten so, als hätte Deutschland saubere Hände – siehe Honduras. Mehr noch. Als in den USA in den 1970ern auffiel, dass es allmählich schwierig wurde, Geld an den Mann zu bringen, das unmittelbar von der CIA kam, wurde das deutsche Parteistiftungsmodell kopiert, in Gestalt des NED. Schlicht einen Schritt weiter weg von der Geldquelle und vermeintlich unabhängig, und schon ist das Ganze kein Problem mehr …
Deutschland ist also Opfer und Täter in einem, selbst rund um die Welt mit der Nase tief im Dreck, daheim aber mit weit offenen Scheunentüren für transatlantische "Freunde". Nichts davon ist wirklich das Ergebnis eines demokratischen Prozesses, da sich an allen entscheidenden Punkten der deutschen Nachkriegsgeschichte, wie beispielsweise zur Wiederbewaffnung, massive Eingriffe finden.
Aber mittlerweile hat die Kunstrasenbegrünung eine Dichte erreicht, die den eigentlichen politischen Prozess völlig überwuchert. Diese mit Geld aufgeblasenen Meinungsbildner, die auch noch zusätzlich fremde Interessen vertreten, sind kreuz und quer verwoben mit Medien und Politik. Und trotz unablässiger Meinungserforschung ist eigentlich gar nicht mehr erkennbar, wo der demokratische Wille tatsächlich läge. Schon um dies herauszufinden, müsste man nicht nur die ganze Astroturfing-Szenerie mit Sponsorenlogos pflastern wie Rennfahreroveralls (von der Leyen mit einem Pfizer-Aufnäher auf dem Kostüm vor den Kameras, das hätte was), sondern zusätzlich noch mindestens einen Monat lang eine strenge Nulldiät im Fernseh- und Internetverzehr anordnen, damit sich überhaupt wieder eine Kultur politischen Gesprächs entwickeln kann.
Georgien hat vielleicht jetzt gerade noch die Kurve gekriegt und die völlige Verlotterung seiner politischen Landschaft verhindert. Wird man sehen. Aber wenn man das von Deutschland aus sieht, wird man schon neidisch und fragt sich, ob nicht eine Kennzeichnungspflicht dieser "Interessenvertretungen von Drittländern" wenigstens dafür hätte sorgen können, dass in einem Moment wie jenem, als die Sprengung von Nord Stream in Washington angekündigt wurde, zumindest ein Zucken des Widerwillens über das Gesicht des zuständigen Regierungsvertreters läuft.
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