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"Waschlappen-Performance" – Kritik an Energiespartipps angesichts massiver Preissteigerungen

Die Energiekosten werden für viele ab Oktober nochmal kräftig steigen, da mehrere Versorger bereits die Gasumlage kassieren wollen. Dabei legen Recherchen nahe, dass die Firmen gar nicht von Insolvenzen bedroht sind. Verbraucher dürfen sich über neue Spartipps freuen.
"Waschlappen-Performance" – Kritik an Energiespartipps angesichts massiver PreissteigerungenQuelle: www.globallookpress.com © Sascha Steinach/ imago-images/Global Look Press

Die seit einiger Zeit stark angestiegenen Energiepreise belasten schon jetzt viele Verbraucher und Unternehmen. Bereits zum 1. Oktober bitten viele lokale Versorger ihre Kunden, noch tiefer in die Taschen zu greifen, um die Gasumlage zu zahlen. Bis dahin schon durch die von der Bundesregierung geplante Mehrwertsteuersenkung Erleichterung für die auch unter den Rekordinflationspreisen ächzenden Verbraucher zu schaffen, würde extrem schnelles Handeln und die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat erfordern.

Am Donnerstag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gesagt, der Steuersatz auf den Gasverbrauch solle von bisher 19 auf 7 Prozent fallen. Dies solle solange gelten, wie die Gasumlage erhoben wird, also bis Ende März 2024. Die EU-Kommission hatte zuvor erklärt, eine vollständige Befreiung der Umlage von der Mehrwertsteuer sei nach EU-Recht nicht möglich.

Und der Effekt der Steuersenkung ist für den einzelnen Bürger geringer als von Scholz zunächst dargestellt. Die Steuersenkung gleiche die Steuermehreinnahmen durch die Gasumlage aus, nicht aber die gesamte Umlage für die Bürger, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Scholz hatte am Donnerstag dagegen versprochen: "Mit diesem Schritt entlasten wir die Gaskunden insgesamt deutlich stärker als die Mehrbelastung, die durch die Umlagen entsteht."

Mit der Gasumlage in Höhe von 2,4 Cent je Kilowattstunde können ab Oktober stark erhöhte Beschaffungskosten an die Verbraucher weitergeben werden. Die Bundesregierung will den Angaben zufolge damit Insolvenzen und einen Zusammenbruch der Energieversorgung verhindern. Allerdings stehen die elf Unternehmen, die von der Umlage profitieren, laut dem Handelsblatt alles andere als bedürftig da.

Neben dem Gasimporteur Uniper – für den die Regierung ein milliardenschweres Rettungspaket schnürte –, der EnBW-Tochter VNG und dem Regionalversorger EWE hätten auch der Importeur Sefe (ehemals Gazprom Germania), die österreichische OMV und das Schweizer Handelsunternehmen Axpo Mehrkosten über die Umlage geltend gemacht.

Auch der niederländisch-schweizerische Rohstoffhändler Vitol und sein Schweizer Wettbewerber Gunvor stehen laut Branchenkreisen auf der Liste, wie die Zeitung schrieb. Gerade die ausländischen Antragsteller profitierten aktuell besonders von den Rekordpreisen bei Strom, Öl und Gas. Dem Bericht zufolge verzeichnen sie allein im ersten Halbjahr eine Gewinnsteigerung zwischen 30 und 200 Prozent. Der Chef des Energieversorgers EnBW, Frank Mastiaux, habe jüngst selbst eingeräumt, das Risiko für sein Unternehmen sei zwar "nicht klein, aber auch nicht existenziell". Derweil müssen Stromkunden von EnBW für ihren Haushaltsstrom im Grundversorgungstarif schon ab Oktober mit Preissteigerungen um durchschnittlich mehr als 30 Prozent rechnen.

Auch durch die Gasumlage kommt auf die Kunden heftige Preissteigerungen zu, und das ebenfalls ab Anfang Oktober. Energieunternehmen in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und anderen Bundesländern kündigten dies an. So hebt die SWB AG in Bremen den Gaspreis in der Grundversorgung zum 1. Oktober von 8,9 auf 11,78 Cent pro Kilowattstunde an. Zur sogenannten Gasbeschaffungsumlage kommt eine Speicherumlage.

Gasversorger müssen Kunden in der Grundversorgung mit sechs Wochen Vorlauf offiziell unterrichten, wenn sie die Gasumlage kassieren. Wenn sie den ersten möglichen Tag, den 1. Oktober, nutzen wollen, mussten sie dies bis Freitag mitteilen.

Außerhalb der Grundversorgung könnten auch abweichende Ankündigungsfristen in den Vertragsbedingungen vereinbart sein, wie es beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hieß.

Doch diese Steigerungen sind noch immer nicht alles: Hinzu kommt, dass Versorger Schritt für Schritt die stark gestiegenen Beschaffungskosten weitergeben. Das Vergleichsportal Verivox zählt aktuell bei Gas 168 Preiserhöhungen von Grundversorgern für August, September und Oktober. Die durchschnittliche Erhöhung liege bei 44,1 Prozent, ein Drei-Personen-Haushalt habe dadurch Mehrkosten von durchschnittlich 1008 Euro pro Jahr. Die neuen Umlagen zur Gasbeschaffung und Gasspeicherung dürften in der Regel noch nicht in den Preisänderungen berücksichtigt sein.


Die von der Bundesregierung angekündigte Mehrwertsteuersenkung auf Gas sorgte für Kritik. Der Paritätische Gesamtverband wies darauf hin, dass die Senkung alle entlaste, "also auch diejenigen, die es überhaupt nicht nötig haben". Der Spitzenverband der Wohlfahrtspflege plädierte für gezielte Hilfen an Menschen, "die ihre Gasrechnung nicht mehr bezahlen können".

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagte, Finanzminister Christian Lindner (FDP) müsse endlich ernsthaft über eine Übergewinnsteuer und eine Vermögensabgabe nachdenken, um Geld für die Entlastung der Schwächsten zu haben. "Außerdem muss sichergestellt sein, dass dieses Mal die Steuersenkung bei den Menschen wirklich ankommt. Es darf nicht wieder so laufen wie beim Tankrabatt." Lindner lehnt eine Übergewinnsteuer krisenbedingt hoher Gewinne von Unternehmen ab.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie hingegen bezeichnete die Mehrwertsteuersenkung als falsches Signal, weil sie ja den Unternehmen nicht zugute komme. "Gas zu sparen bleibt wichtig. Die Entlastung durch die angekündigte niedrigere Mehrwertsteuer geht an den Unternehmen vorbei, denn Unternehmen zahlen keine Mehrwertsteuer", sagte Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI. Die Unternehmen kämpften mit ausufernden Energiekosten, so Lösch. "Die Politik muss jetzt konsequent die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie erhalten und schutzbedürftige Unternehmen entlasten."

Auch die Strompreise könnten absehbar für die Verbraucher zu Schwierigkeiten führen. Vergleichsportalen zufolge sind sie zum Vorjahresmonat im August bereits bis zu 40 Prozent gestiegen. Verivox zählte für August, September und Oktober 123 Preissteigerungen von Grundversorgern mit einer durchschnittlichen Erhöhung um 25 Prozent. Für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 4000 Kilowattstunden bedeutet das im Durchschnitt Mehrkosten von 311 Euro jährlich. Zuvor hatte der Wettbewerber Check24 schon von einer Preissteigerung von 47,4 Prozent im September berichtet.

"Angesichts der hohen Großhandelspreise rechnen wir mit zahlreichen Strompreiserhöhungen in den kommenden Monaten, die für die Haushalte eine zusätzliche Belastung darstellen werden", sagt Verivox-Experte Thorsten Storck. Der durchschnittliche Strompreis könne im kommenden Jahr bei 45 Cent pro Kilowattstunde und mehr liegen. Dabei konnte der Wegfall der EEG-Umlage die Kosten nur etwas dämpfen. Einzig die Frage, zu welchem Zeitpunkt was an die Verbraucher weitergegeben wird, unterscheide sich hier, teurer wird es in jedem Fall.

Woran es weiterhin nicht mangelt, sind Energiesparratschläge, von denen die wenigsten neu sind. Gerade jene, die bereits wegen der enormen Kosten darauf achten, benötigen wohl keine Hinweise darauf, dass ungenutzte Räumlichkeiten nicht beleuchtet zu werden brauchen, oder man einen Eisschrank abtauen könnte, wenn der mal vereist ist.

Allerdings hat nach Robert Habeck, der vor Kurzem dazu aufrief, kürzer zu duschen, aktuell noch ein Grünen-Spitzenpolitiker Tipps, die bisher so vielleicht nicht überall in die Praxis ungesetzt wurden. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann nutzt bereits E-Auto, Solarpaneele und Pellets und verrät: "Wir heizen in der Regel nur ein Zimmer", so Kretschmann und erklärt: "Es ist auch gesünder, wenn man im Haus nicht überall die gleiche Temperatur hat." Außerdem müsse man nicht dauernd duschen, denn:

"Auch der Waschlappen ist eine brauchbare Erfindung."

Die Ratschläge, welche Kretschmann im Zuge eines Interviews in der Badischen Zeitung erwähnte, fanden jedoch offenbar nicht alle ganz so brauchbar.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Bundestag, Jan Korte, bezeichnete jene, die solche Ratschläge verteilen, auf Twitter als abgehobene "Bionade-Bourgeoisie" und schrieb in einer Mitteilung am Freitag:

"Die Grünen haben es mit ihrer Waschlappen-Performance in der Bundesregierung nicht einmal geschafft, das 9-Euro-Ticket verlängert zu bekommen, hauen aber einen Schlaumeier-Tipp nach dem anderen raus."

Menschen, die schon seit Jahren sparen müssten, damit sie überhaupt durch den Monat kämen, bräuchten keine "zynischen Energiespartipps" oder "unendlich abgehobene Best-Practice-Beispiele" von grünen Ministerpräsidenten, befand Korte.

Mehr zum Thema – Bundesnetzagentur: Menschen müssen noch viel mehr Energie sparen

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