"Äußerst besorgniserregend" – neue Studie weist Plastik im Blut nach
Plastik ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Und wohl auch nicht mehr aus unserem Organismus, wie Untersuchungen zeigen. Die Kunststoffindustrie entwickelte sich rapide, von jährlich etwas über einer Million Tonnen Kunststoff in den 1950er Jahren stieg der Verbrauch auf rund 400 Millionen Tonnen Kunststoff bis zum Jahr 2000. Entsprechend befindet sich Mikroplastik in allen Lebensumgebungen, und eben auch in menschlichen Organen.
In dieser Woche konnten Forscher nachweisen, dass sich Mikroplastik sogar im Blut findet. Partikel können durch den Körper wandern und sich in den Organen festsetzen. Laut den Forschern besteht Anlass zur Sorge, und es muss herausgefunden werden, wie genau und ab welchen Mengen sich Mikroplastik auf die menschliche Gesundheit auswirken kann.
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— Common Seas (@CommonSeas) March 24, 2022
"Unsere Studie ist der erste Hinweis darauf, dass wir Polymerpartikel in unserem Blut haben – das ist ein bahnbrechendes Ergebnis", erklärte der Autor der Studie, Dick Vethaak, gegenüber dem Guardian. Vethaak arbeitet aktuell als Ökotoxikologe an der Vrije Universiteit Amsterdam in den Niederlanden.
"Die Partikel sind da und werden durch den Körper transportiert", so der Wissenschaftler weiter.
Das Forschungsteam analysierte Blutproben von 22 anonymen Spendern – allesamt gesunde Erwachsene – auf fünf Arten von Kunststoffen: Polymethylmethacrylat (PMMA), Polypropylen (PP), Polystyrol (PS), Polyethylen (PE) und Polyethylenterephthalat (PET). Bei 17 Spendern fanden sie nachweisbare Mengen an Plastikpartikeln im Blut.
Die neue Studie, die in der Fachzeitschrift Environment International veröffentlicht wurde, passte bisher verwendete Techniken an, um Partikel bis zu einer Größe von 0,7 μm (0,0007 mm) zu erkennen und zu analysieren. Einige der Blutproben enthielten zwei oder drei Arten von Kunststoffen. Das Team verwendete Stahlspritzennadeln und Glasröhrchen, um Verunreinigungen zu vermeiden, und untersuchte anhand von Leerproben den Hintergrundgehalt an Mikroplastik. Am häufigsten fand sich in den untersuchten Blutproben PET-Plastik, das üblicherweise in Getränkeflaschen verwendet wird; gefolgt von Polystyrol, das zur Herstellung zahlreicher Haushaltsprodukte und zur Verpackung von Lebensmitteln und anderen Produkten verwendet wird. Der am dritthäufigsten gefundene Kunststoff, in etwa einem Viertel der Blutproben, war Polyethylen – bekannt aus der Herstellung von Plastiktragetaschen.
Im Labor hatte sich bereits gezeigt, dass Mikroplastik Schäden an menschlichen Zellen verursacht. Und es ist auch bekannt, dass Partikel aus der verschmutzten Luft in den Körper eindringen und jährlich Millionen von vorzeitigen Todesfällen verursachen.
Das neue Ergebnis sei in der Tat besorgniserregend, so Vethaak. Zumal frühere Arbeiten gezeigt hätten, dass der Anteil von Mikroplastik in den Fäkalien von Säuglingen zehnmal höher ist als bei Erwachsenen; und dass Säuglinge, die mit Plastikflaschen gefüttert werden, täglich Millionen von Mikroplastikpartikeln verschlucken.
"Wir wissen auch, dass Säuglinge und Kleinkinder im Allgemeinen anfälliger für die Belastung durch Chemikalien und Partikel sind – das macht mir große Sorgen."
Nun sei weitere Forschung notwendig. Denn zwar habe diese Untersuchung ergeben, dass fast acht von zehn getesteten Personen Plastikpartikel in ihrem Blut haben. Doch sagt die Studie nichts darüber aus, wie hoch der Anteil an Plastikpartikeln sein darf, der sicher oder unsicher ist. Professor Vethaak stellt daher die Frage in den Raum:
"Wie viel ist zu viel? Wir müssen dringend weitere Forschung finanzieren, damit wir das herausfinden können. Da wir immer mehr Plastikpartikeln ausgesetzt sind, haben wir ein Recht darauf zu erfahren, was das mit unserem Körper anstellt."
Die EU finanziert bereits Forschungsarbeiten über die Auswirkungen von Mikroplastik auf Föten und Babys sowie auf das Immunsystem. In einer kürzlich durchgeführten Studie wurde festgestellt, dass sich Mikroplastik an den äußeren Membranen der roten Blutkörperchen festsetzen und deren Fähigkeit, Sauerstoff zu transportieren, beeinträchtigen kann. Neue Studien müssen sich laut Vethaak vertiefter mit dem Krebsrisiko befassen. Gegenüber dem Guardian erklärt der Forscher:
"Detailliertere Forschung darüber, wie Mikro- und Nanokunststoffe die Strukturen und Prozesse des menschlichen Körpers beeinflussen und ob und wie sie Zellen umwandeln und die Krebsentstehung auslösen können, ist dringend erforderlich, insbesondere angesichts der exponentiellen Zunahme der Kunststoffproduktion. Das Problem wird mit jedem Tag dringlicher."
Er selbst versuche bereits, seine eigene Belastung durch Kunststoffe zu reduzieren, wie Vethaak gegenüber The Independent erklärt:
"Ja, meine Familie versucht, die Verwendung von Einwegplastik so weit wie möglich zu vermeiden, insbesondere Plastik, das mit Lebensmitteln in Berührung kommt – in Plastik verpackte Lebensmittel und Getränke."
Die Studie wurde von der Organisation "Common Seas" in Auftrag gegeben, die sich für ein Ende der enormen Mengen an Plastikmüll in den Weltmeeren einsetzt. Jo Royle, die Vorstandsvorsitzende der Organisation, betonte:
"Dieses Ergebnis ist äußerst besorgniserregend. Wir essen, trinken und atmen bereits Plastik ein. Es befindet sich in den tiefsten Meeresgräben und auf dem Gipfel des Mount Everest. Und dennoch wird sich die Plastikproduktion bis 2040 verdoppeln."
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