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Schikanen und Strafverfahren für Russland-Sympathien: Neues gesellschaftliche Klima in Skandinavien

Nicht nur Schikanen, sogar Strafverfahren sind der Preis, den Finnen und Schweden dafür zahlen müssen, wenn sie es wagen, in irgendeiner Weise einen "prorussischen" Standpunkt zu vertreten. Unter diesem Druck sind auch der ehemalige Leiter des militärischen Geheimdienstes der EU und die berühmte Rockband Sabaton geraten.
Schikanen und Strafverfahren für Russland-Sympathien: Neues gesellschaftliche Klima in SkandinavienQuelle: Legion-media.ru © Lehtikuva

von Stanislaw Leschtschenko

Das Bezirksgericht Helsinki verhandelt den Fall von Journalisten der Zeitung Helsingin Sanomat, der größten Tageszeitung des Landes. Im Jahr 2017 veröffentlichte sie eine Story über die Aktivitäten des finnischen Militärgeheimdienstes über die Beobachtung der Dynamik russischer Streitkräfte auf russischem Gebiet. In der Folge wurde gegen drei Korrespondenten der Zeitung Anklage erhoben, die der Verbreitung von Geheiminformationen beschuldigt wurden.

Doch außer ihnen war noch eine weitaus bedeutendere Person involviert – der pensionierte Leiter des militärischen Geheimdienstes der finnischen Armee, Konteradmiral Georgi Alafuzoff.

Wie der Ex-Geheimdienstchef zum Verdächtigen wurde

Georgi Alafuzoff, wie seinem Nachnamen unschwer zu entnehmen ist, stammt von russischen Einwanderern ab. Sein direkter Vorfahre war Baron Ivan Alafuzoff, der in Sankt Petersburg lebte.

Georgi Alafuzoff ist heute 69 Jahre alt und wurde in Helsinki geboren. Seinerzeit wurde er als der fähigste Offizier Finnlands bezeichnet, – was durch seinen erfolgreichen Werdegang bewiesen wurde. Nachdem er 1974 in den Rang eines Marineleutnants aufgestiegen war, kam er schließlich in die militärische Führung des Landes. Von 2007 bis 2013 leitete er den Nachrichtendienst der finnischen Verteidigungsstreitkräfte. In seinem Heimatland galt er als "Russland-Spezialist" – aufgrund seiner hervorragenden Kenntnisse der russischen Sprache, wobei er 1997 die russische Generalstabsakademie mit Auszeichnung abschloss. Von 2013 bis 2016 war er Leiter der Aufklärungsabteilung des Militärstabs der Europäischen Union (EUMS). 

Heute befindet sich Alafuzoff im Ruhestand. Dann kam plötzlich der Vorwurf, er sei an der Weitergabe von Geheiminformationen an den Helsingin Sanomat beteiligt gewesen! Eine Behauptung wurde in Umlauf gebracht, wonach der pensionierte Geheimdienstoffizier den Journalisten einen USB-Stick mit geheimen Informationen über die Aktivitäten des finnischen Militärgeheimdienstes übergeben haben soll.

Die Analysten stellten die Vermutung auf, dass eine Aussage von Alafuzoff vom April 2014, wonach Russland keine Eroberungskriege zu führen gedenke und keine Absichten an der Eskalation internationaler Konflikte habe, ihm geschadet haben könnte. Damals sprach er auch über die Abwesenheit russischer Truppen in der Ukraine. Und er behauptete, der ehemalige CIA-Mitarbeiter Edward Snowden, der die Wahrheit über die unlauteren Methoden des Geheimdienstes aufdeckte, trotz des Verrats an seinem Arbeitgeber, ein "wahrer Idealist" sei, der aufrichtig Ungerechtigkeit bekämpfen wolle.

Wurde nicht in Ruhe gelassen

Zuvor hatte Georgi Alafuzoff wiederholt betont, dass Finnland keinen Grund habe, sich vor Russland zu fürchten. Der hochrangige Geheimdienstoffizier setzte sich leidenschaftlich für die internationale Entspannungspolitik ein.

So nahm er am 30. Oktober 2018 an der Konferenz "Ogarkov Readings" in Moskau teil. Dort erzählte er, dass der Westen die Ereignisse in der Ukraine als "hybride russische Operation" wahrnehme – und ein Übergreifen auf das Baltikum befürchte. "Und natürlich werden Finnland und Schweden, die keine NATO-Mitglieder sind, eines der Ziele der hybriden Aktionen sein, die Russland unternehmen könnte", schilderte Alafuzoff die Befürchtungen in Helsinki. Allerdings sagte er auch, dass er die russischen Besorgnisse über die Aktivitäten des Westens nachvollziehen könne. Ferner warnte Alafuzoff über die neu entstandenen hybriden Bedrohungen:

"Unter den Bedingungen der gegenwärtig rechtlichen Ungewissheit, die im Zusammenhang mit hybriden militärischen Konflikten besteht, kann erwartet werden, dass die britische Diplomatie Vorwände wie 'highly likely' und das Fehlen anderer plausibler Erklärungen dazu benutzt, um bestimmte militärpolitische Entscheidungen zu rechtfertigen. Damit steigt die Gefahr eines weitreichenden Konflikts, weil die Absichten der Parteien missverstanden werden, weil rechtliche und begriffliche Unklarheiten bestehen", sagte Alafuzoff im Jahr 2018.

Mittlerweile, fünf Jahre später, klingen diese Worte prophetisch.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass gerade solch aufrührerische Äußerungen in Kombination mit seiner russischen Herkunft und seinem Nachnamen die finnischen "Patrioten" misstrauisch machten, die immer bereit sind, eine weitere "Intrige von Agenten aus Moskau" zu sehen. Übrigens wurde am 22. Dezember 2022 bekannt, dass die Staatsanwaltschaft beschlossen hatte, das Verfahren gegen Georgi Alafuzoff einzustellen. Es wurde mitgeteilt, dass man eine "gute Vorstellung davon habe, wie die Informationen in die Hände Dritter gelangt seien" – und dass Alafuzoff keinen Bezug dazu gehabt habe.

Man ließ ihn jedoch nicht einfach in Ruhe. Im Februar 2023 wurde ein neues Verfahren gegen ihn eingeleitet, – nun wird Alafuzoff der "illegalen Speicherung und Verarbeitung von Geheiminformationen" beschuldigt. Es besteht der Wille, Alafuzoff auf jede erdenkliche Weise zu diffamieren, damit dies zum Lehrstück für andere wird, die mit Russland sympathisieren.

"Es wird mir gedroht, meinen Nächsten, meiner Familie ..."

Johan Bäckman, ein Soziologe, Kriminologe, Sozialwissenschaftler und Publizist mit einem Doktortitel in Sozial- und Politikwissenschaften, ist seit vielen Jahren der prominenteste prorussische Sprecher in Finnland. Berühmt wurde er im Jahr 2008, als er sein Buch "Der bronzene Soldat" (über die Ereignisse der "Bronzenen Nacht" in Estland) veröffentlichte und das "Antifaschistische Komitee Finnlands" gründete, dessen Vorsitz er übernahm. Niemand sonst äußert sich in Finnland so kühn zur Unterstützung Russlands wie er.

Seit Langem gibt es Versuche, Beckmann zu verurteilen. So wurde im Jahr 2016 ein Strafverfahren gegen ihn und Ilja Janitskin, Redakteur der Online-Publikation MV-Lehti, eingeleitet. Sie wurden der "Beleidigung von Ehre und Würde" und der Veröffentlichung der persönlichen Daten von Jessikka Aro beschuldigt, einer Journalistin des finnischen Rundfunks, die sich darauf spezialisiert hatte, die "Intrigen des Kremls" aufzudecken. Bäckman beschuldigte Aro der Arbeit für Geheimdienste und des Drogenkonsums. Daraufhin verurteilte das Amtsgericht von Helsinki am 19. Oktober 2018 Janitskin zu 22 Monaten unbedingter Freiheitsstrafe und Bäckman zu einem Jahr bedingter Haft sowie zu einer Geldstrafe.

Wiederholt hat er selbst gesagt, dass er Morddrohungen erhalten habe, – deren Anzahl sich in letzter Zeit erhöht hat.

"Sie drohen mir, meinen Nächsten, der Familie, publizieren meine Adresse im Internet, rufen zum Mord auf [...] Das Eigenartige daran ist, dass diese Leute sich nicht einmal scheuen, dies in ihrem eigenen Namen zu tun. War es früher ein Anonymer, der gedroht hat, so drohen die Leute jetzt einfach im eigenen Namen. Die Polizei habe ich mehrmals kontaktiert, doch [die Polizeibehörde] bei der ich mich bereits mehrfach beschwert habe, weigert sich, tätig zu werden [...]", bemerkt Bäckman.

Schwedische Grausigkeit

Im benachbarten Schweden wird ebenfalls die Angst vor "Kreml-Agenten" geschürt. Am 25. November wurden die Brüder Peyman und Payam Kia (gebürtige Iraner) wegen angeblicher Spionage für Russland angeklagt. Gemäß den Prozessakten sollen die Brüder geheime Informationen an den russischen Geheimdienst weitergegeben haben. Der Anwalt Anton Strand erklärte, sein Mandant Peyman Kia bestreite die Vorwürfe.

"Er hat in verschiedenen Positionen für die schwedische Regierung gearbeitet und war stets bemüht, seine Aufgaben trotzt des schwierigen Umfelds gewissenhaft zu erfüllen", bemerkte Strand.

Gleichzeitig nahm die schwedische Polizei zwei weitere Personen wegen des Verdachts auf Spionage fest. Dabei handelt es sich um die Eheleute Sergei Skvortsov und Elena Kulkova, beide mit doppelter Staatsbürgerschaft, die seit 1999 in Schweden leben. Das Ehepaar, das mittlerweile im fortgeschrittenen Alter ist, wurde von Spezialeinheiten festgenommen, die mit einem Seil hinab in ihr Fenster stiegen. Skvortsov und Kulkova wurden beschuldigt, Teil eines "GRU-Netzwerks" zu sein und den "Parallelimport" nach Russland durch die Lieferung sanktionierter elektronischer Bauteile organisiert zu haben. Den Eheleuten droht nun eine lange Haftstrafe.

Sogar die berühmte einheimische Rockband Sabaton wurde jetzt in Schweden als "kremlfreundlich" gebrandmarkt, weil sie im Jahr 2015 ein Konzert auf der Krim veranstaltete und "kontroverse Äußerungen" machte, die als prorussisch interpretiert werden könnten.

Der Band wurde ein prestigeträchtiger Musikpreis aberkannt. Das Lied "Carolus Rex" von Sabaton (das dem berühmten Schwedenkönig Karl XII. gewidmet ist) wurde aus der Spotify-Wiedergabeliste entfernt, die Schweden repräsentiert, während das Land in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 den Vorsitz im EU-Rat innehat. Die schwedischen Streitkräfte, die Sabaton zuvor oft zu ihren Veranstaltungen einluden, haben ihre Zusammenarbeit mit der Band beendet.

Fairerweise muss man sagen, dass es auch Geschichten mit relativ gutem Ausgang gibt. Im vergangenen Jahr wurde eine in Russland geborene Beamtin, die in den 1990-er Jahren nach Schweden gezogen war, aus dem schwedischen Grenzschutz entlassen. Sie hatte ihre Kollegen verärgert, weil ihr Computerbildschirm mit einem Foto des russischen Präsidenten Wladimir Putin beklebt war und sie häufig zu ihren Kollegen sagte, die schwedische Presse verbreite falsche Nachrichten über die Ereignisse in der Ukraine. Um einen Grund für ihre Entlassung zu finden, wurde die Frau des "Fehlverhaltens" gegenüber ukrainischen Flüchtlingen beschuldigt.

"Doch es stellte sich heraus, dass sie nicht mit Asylangelegenheiten von Ukrainern befasst war, sodass die Ermittlungen gegen sie eingestellt werden mussten. Aber wie kann sie danach weiterarbeiten, wenn ihre Kollegen sie für eine russische Agentin halten?", beklagte sich ein Verwandter der verfolgten Frau.

Doch die Frau erwies sich als kluges Köpfchen: Sie forderte eine Entschädigung für ihre Entlassung und bekam recht. Daraufhin wurde der Grenzschutzdienst verpflichtet, der entlassenen Frau 517.468 Kronen zu zahlen – das entspricht vierzehn Monatsgehältern und etwa 3,5 Millionen Rubel (circa 45.700 Euro). Hoffen wir, dass dieser Betrag den Schock, den sie erlitten hat, zumindest teilweise kompensieren wird ...

Zuerst erschienen bei Wsgljad. Übersetzt aus dem Russischen.

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