Cancel Culture – da, wo der Liberalismus stirbt
von Chris Hedges
Der Baptistenprediger Will Davis Campbell wurde 1956 wegen seiner Aufrufe zur Integration der Schwarzen aus seiner Position als Leiter des religiösen Lebens an der Universität von Mississippi gedrängt. Er begleitete 1957 schwarze Kinder durch einen feindseligen Mob, um sie nach der offiziellen Aufhebung der Rassentrennung in die Central High School in Little Rock einzuschulen. Er war der einzige Weiße, der eingeladen wurde, Mitgründer der Martin Luther King Jr.'s Southern Christian Leadership Conference zu sein. Er half bei der Öffnung von Nashvilles Lunchlokalen für Schwarze und organisierte die Freedom Rides gegen die Segregation im Süden der USA.
Aber Campbell war auch, trotz einer Reihe von Morddrohungen, die er von weißen Befürwortern der Rassentrennung erhielt, der inoffizielle Seelsorger der örtlichen Sektion des Ku-Klux-Klans. Er prangerte den Rassismus, den Terror und die Gewalt des Klans an und bekämpfte ihn öffentlich. Er marschierte mit schwarzen Bürgerrechtlern in seiner Heimat Mississippi, aber er weigerte sich standhaft, weiße Rassisten aus seinem Leben zu "canceln". Er weigerte sich, sie als "weniger wertvolle Menschen" zu betrachten und zu dämonisieren. Er bestand darauf, dass ihr Rassismus zwar böse sei, aber nicht so heimtückisch wie das kapitalistische System, das das wirtschaftliche Elend und die Instabilität aufrechterhalte, und Weiße in die Reihen gewalttätiger, rassistischer Organisationen treibe.
"Während der Bürgerrechtsbewegung, wenn wir Strategien entwickelten, sagte gewöhnlich jemand: 'Ruf Will Campbell an. Fragt bei Will nach'", schrieb der demokratische Abgeordnete John Lewis in der Einleitung zur Neuauflage von Campbells Memoiren "Brother to a Dragonfly" ("Bruder einer Libelle"), eines der wichtigsten Bücher, die ich als Seminarist gelesen habe. "Will wusste, dass die Tragödie der Südstaatengeschichte sowohl auf unsere Gegner als auch auf unsere Verbündeten gefallen war ... auf George Wallace und Bull Connor ebenso wie auf Rosa Parks und Fred Shuttlesworth. Er sah, dass sie sowohl den Ku-Klux-Klan als auch das Student Nonviolent Coordinating Committee [Organisationen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, Anm. d. Red.] hervorgebracht hatte. Diese Einsicht führte Will dazu, Heilung und Gleichberechtigung, die durch Mut, Liebe und Glauben angestrebt werden, als den Weg zur geistigen Befreiung für alle zu sehen."
Jimmy Carter schrieb über Campbell, dass er "die Mauern niederriss, die weiße und schwarze Südstaatler trennten". Und weil der Black-Panther-Organisator Fred Hampton dasselbe in Chicago tat, hat das FBI – das heute zusammen mit der CIA der faktische Verbündete der liberalen Eliten in ihrem Krieg gegen Trump und dessen Anhänger ist – ihn 1969 ermordet.
Als die Stadt, in der Campbell lebte, beschloss, dass der Klan keinen Festwagen bei der Parade zum 4. Juli haben sollte, hatte Campbell nichts dagegen, solange die Gas- und Elektrizitätsgesellschaft ebenfalls ausgeschlossen wurde. Es waren in seinen Augen nicht nur weiße Rassisten, die den Unschuldigen und Schwachen Leid zufügten, sondern auch Institutionen, die die "Heiligkeit des Profits" über das menschliche Leben stellen.
"Die Leute können ihre Gas- und Stromrechnungen nicht bezahlen, die Heizung wird abgestellt und sie erfrieren und sterben manchmal, besonders wenn sie älter sind", sagte er. "Auch das ist ein Akt des Terrorismus."
"Man konnte sie sehen und mit ihnen umgehen, und wenn sie das Gesetz brachen, konnte man sie bestrafen", sagte er über den Klan. "Aber die 'größere Kultur', die durch und durch rassistisch war und immer noch ist, ist viel schwieriger zu handhaben und hat einen unheimlicheren Einfluss."
Wer wirklich unser perfidester Feind ist
Campbell hätte uns heute daran erinnert, dass die Dämonisierung der Trump-Anhänger, die die Hauptstadt gestürmt haben, ein schrecklicher Fehler ist. Er hätte uns daran erinnert, dass Rassenungerechtigkeit nur mit wirtschaftlicher Gerechtigkeit gelöst werden kann. Er hätte uns dazu aufgerufen, denen die Hand zu reichen, die nicht so denken wie wir, nicht so sprechen wie wir, die von der "vornehmen Gesellschaft" lächerlich gemacht werden, die aber unter der gleichen wirtschaftlichen Marginalisierung leiden. Er wusste, dass die Ungleichheit der Verhältnisse, der Verlust von Status und Hoffnung für die Zukunft, gepaart mit anhaltender sozialer Verwerfung, genau die vergiftete Solidarität erzeugt, die Gruppen wie den Klan oder die Proud Boys erst entstehen lässt. Wir können keine Wunden heilen, die wir uns weigern, anzuerkennen.
Die Washington Postanalysierte öffentlich zugängliche Informationen von 125 Angeklagten, die an der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar teilgenommen haben sollen, und fand heraus, dass "fast 60 Prozent der Angeklagten Anzeichen früherer Geldsorgen aufwiesen, einschließlich Konkursen, Räumungsankündigungen oder Zwangsvollstreckungen, uneinbringlichen Schulden oder unbezahlten Steuern aus den letzten zwei Jahrzehnten."
"Die Konkursrate dieser Gruppe – 18 Prozent – war fast doppelt so hoch wie die der amerikanischen Öffentlichkeit [im Durchschnitt, Anm. d. Red.]", so die Washington Post. "Ein Viertel von ihnen wurde verklagt, weil sie einem Gläubiger Geld schuldete. Und jeder Fünfte von ihnen stand irgendwann vor dem Verlust seines Hauses, wie aus Gerichtsunterlagen hervorgeht."
"Ein Mann aus Kalifornien hatte eine Woche zuvor, bevor er sich mutmaßlich der Erstürmung anschloss, Konkurs angemeldet, wie aus öffentlichen Unterlagen hervorgeht", berichtet die Zeitung weiter. "Die Firma eines Mannes aus Texas, der ebenfalls angeklagt wurde, war einen Monat zuvor mit einem staatlichen Steuerpfandrecht von fast 2.000 Dollar belegt worden. Mehrere junge Leute, die ebenfalls angeklagt wurden, stammten aus Familien, die eine Vorgeschichte in Sachen finanzielle Nöte haben."
Wir müssen die Tragödie dieser Leben anerkennen und gleichzeitig Rassismus, Hass und die Lust an Gewalt verurteilen. Wir müssen begreifen, dass unser perfidester Feind nicht jemand ist, der politisch unkorrekt oder gar rassistisch ist, sondern die Konzerne und ein gescheitertes politisches und juristisches System, das Menschen wie auch den Planeten gefühllos auf dem Altar des Profits opfert.
Wie Campbell stammt ein Großteil meiner eigenen Familie aus der ländlichen Arbeiterklasse, viele vertraten Vorurteile, die mein Vater, ein presbyterianischer Pfarrer, regelmäßig von der Kanzel aus verurteilte. Durch eine Kombination aus Glück und Stipendien für Eliteschulen kam ich da raus. Das taten sie nie. Mein Großvater, intellektuell begabt, war gezwungen, die High School im letzten Schuljahr abzubrechen, als der Mann seiner Schwester starb. Er musste auf der Farm arbeiten, um ihre Kinder zu ernähren. Wenn man in Amerika arm ist, bekommt man selten mehr als eine Chance. Und viele bekommen keine einzige. Mein Großvater hatte seine verloren.
Die Städte in Maine, aus denen meine Verwandten stammen, sind durch die Schließung von Mühlen und Fabriken verwüstet worden. Es gibt wenig sinnvolle Arbeit. Es gibt eine schwelende Wut, verursacht durch berechtigte Gefühle wie Verrat und dem Eindruck, in einer Falle zu sitzen. Sie leben, wie die meisten Amerikaner der Arbeiterklasse, ein Leben in stiller Verzweiflung. Diese Wut drückt sich oft auf negative und destruktive Weise aus. Aber ich habe kein Recht, sie als unverbesserlich abzutun.
Absurde und selbstzerstörerische "Reinheitsprüfungen"
Zu verstehen heißt nicht, zu verzeihen. Aber wenn die herrschenden Eliten und ihre Höflinge, die sich als Journalisten ausgeben, damit fortfahren, diese Menschen genüsslich aus der Medienlandschaft auszulöschen, sie als weniger wertvolle Menschen anzugreifen oder, wie Hillary Clinton sie "deplorables" ("erbärmlich") zu nennen, und sich gleichzeitig weigern, die groteske soziale Ungleichheit anzusprechen, die die "Erbärmlichen" verletzlich und verängstigt gemacht hat, dann wird das lediglich ein immer größeres Maß an Extremismus, staatlicher Repression und Zensur schüren.
Die Cancel Culture, eine Hexenjagd durch selbsternannte moralische "Schiedsrichter der Rede", ist zum Boutique-Aktivismus einer liberalen Klasse geworden, der der Mut und die organisatorischen Fähigkeiten fehlen, um die tatsächlichen Machtzentren herauszufordern – den militärisch-industriellen Komplex, die tödlich militarisierte Polizei, das Gefängnissystem, die Wall Street, das Silicon Valley, die Geheimdienste, die uns zur am meisten bespitzelten, beobachteten, fotografierten und überwachten Bevölkerung in der Geschichte der Menschheit machen, die fossile Brennstoffindustrie und ein politisches und wirtschaftliches System, das von der oligarchischen Macht erfasst wird.
Es ist viel einfacher, sich von diesen überwältigenden Kämpfen abzuwenden, um unglückliche Figuren zu stürzen, die verbale Fauxpas begehen, die nicht in der genehmigten Sprache sprechen oder die genehmigten Haltungen der liberalen Eliten annehmen. Diese "Reinheitsprüfungen" haben absurde und selbstzerstörerische Ausmaße angenommen, einschließlich des inquisitorischen Blutrausches von 150 Mitarbeitern der New York Times, die von der Geschäftsleitung verlangten, den altgedienten Reporter Don McNeil rauszuschmeißen, weil er in einer Diskussion über Rassenfragen eine rassistische Beleidigung wiederholt haben soll. Der Vorfall war zwar von der Zeitung schon untersucht und allenfalls als ein schlechtes Urteilsvermögen von McNeil klassifiziert worden, dennoch willigte die Geschäftsleitung widerwillig in den Rausschmiss ein.
Zu oft sind die Zielscheiben der Cancel Culture die wirklich Radikalen, wie zum Beispiel die Feministinnen, die das Vancouver Rape Relief and Women's Shelter [eine Notaufnahme- und Hilfestelle für vergewaltigte Frauen in Kanada, Anm. d. Red] leiten und die keine Trans-Personen aufnehmen, weil die meisten der Mädchen und Frauen in der Notaufnahmestelle von Menschen mit männlichen Körpern angegriffen und traumatisiert wurden. Keiner der Kritiker dieser Feministinnen verbringt zehn oder zwölf Stunden am Tag in einem Frauenhaus, das sich um missbrauchte Mädchen und Frauen kümmert, von denen viele als Kinder prostituiert wurden – stattdessen üben sie lieber scharfe Kritik und verlangen, die finanzielle Unterstützung der Institution zu streichen. Die Cancel Culture ist, wie die kanadische Feministin Lee Lakeman sagt, "die Bewaffnung der Ignoranz".
Die Cancel Culture wurde schon früh in der US-amerikanischen Geschichte in Form einer "Hetzjagd auf Rote" durch kapitalistische Eliten und deren Fußtruppen in Agenturen wie dem FBI eingeführt, um, oft gewaltsam, radikale Bewegungen und Gewerkschaften zu brechen. Zehntausende von Menschen wurden im Namen des Antikommunismus aus der Kultur gestrichen. Die gut finanzierte Israel-Lobby ist ein Meister der Cancel Culture, die Kritiker des israelischen Apartheidstaates und diejenigen von uns, die die Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS) unterstützen, als Antisemiten abstempelt. Die Cancel Culture hat die Verfolgung von Julian Assange, die Zensur von WikiLeaks und das Entstehen von Silicon-Valley-Algorithmen gefördert, die die Leser von Inhalten fernhalten, einschließlich meiner Inhalte, die kritisch gegenüber imperialer und unternehmerischer Macht sind.
Der moralische Absolutismus verbreitert die Gräben
Am Ende wird diese Schikane von den Social-Media-Plattformen, die in die staatlichen Sicherheits- und Überwachungsorgane integriert sind, nicht dazu genutzt, um, wie ihre Befürworter argumentieren, die Zivilgesellschaft zu verteidigen, sondern um Dissidenten, Intellektuelle, Künstler und unabhängige Journalisten rücksichtslos zum Schweigen zu bringen. Sobald man kontrolliert, was Menschen sagen, kontrolliert man auch, was sie denken.
Diese Cancel Culture wird von den Medienplattformen der Konzerne übernommen, wo, wie der Journalist Glenn Greenwald schreibt, "Teams von Journalisten bei drei der einflussreichsten US-Medienunternehmen sitzen und den Großteil ihres 'Journalismus' damit verbringen, online nach Beispielen zu suchen, bei denen ihrer Meinung nach Rede- und Verhaltensregeln verletzt wurden". Diese würden sie markieren und dann für Strafmaßnahmen plädieren (Verbot, Zensur, Inhaltsregulierung, Nachsitzen wie in der Schule). Diese Journalisten sind laut Greenwald "CNNs 'Medienreporter' (Brian Stelter und Oliver Darcy), NBCs 'Desinformationsraumeinheit' (Ben Collins und Brandy Zadrozny), und die Tech-Reporter der New York Times (Mike Isaac, Kevin Roose, Sheera Frenkel)".
Die Konzerne wissen, dass diese moralischen "Reinheitstests" für uns selbstzerstörerisch sind. Sie wissen, dass sie, indem sie die Cancel Culture legitimieren – und aus diesem Grund war ich dagegen, Donald Trump von seinem Twitter- und anderen Social-Media-Accounts auszusperren –, diese auch einsetzen können, um diejenigen zum Schweigen zu bringen, die die Strukturen der Konzernmacht und die imperialen Verbrechen angreifen und aufdecken. Die Kampagnen des moralischen Absolutismus verbreitern die Gräben zwischen den liberalen Eliten und der weißen Arbeiterklasse, Gräben, die für den Machterhalt der Konzerneliten entscheidend sind. Die Cancel Culture ist das Futter für die fesselnden und unterhaltsamen Kulturkriege. Sie macht aus Antipolitik Politik. Vor allem aber lenkt die Cancel Culture von den viel ungeheuerlicheren institutionalisierten Machtmissbräuchen ab. Es ist dieser selbstgefällige, selbstgerechte Kreuzzug, der die liberale Klasse so abscheulich macht.
Doug Marlette, der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Karikaturist, der den Comicstrip "Kudzu" schuf, in dem eine von Campbell inspirierte Figur namens "Rev. Will B. Dunn" auftrat, brachte Campbell zu einer Rede nach Harvard, als ich dort war. Campbells Botschaft wurde mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und offener Feindseligkeit aufgenommen, was mir recht war, da es bedeutete, dass sich der Raum schnell leerte und Marlette, Campbell und ich den Rest des Abends bei Whiskey und Bologna-Sandwiches verbrachten. Marlette war genauso ikonoklastisch und bissig komisch wie Campbell. Seine Karikaturen, darunter eine, die Jesus am Karfreitag mit einem elektrischen Stuhl statt mit einem Kreuz zeigte, und eine andere, die Jerry Falwell, einen US-amerikanischen baptistisch-fundamentalistischen Pastor und Fernsehprediger, als die Schlange im Garten Eden darstellte, lösten Protestschreie von wütenden Lesern aus.
Campbells Memoiren, "Brother to a Dragonfly", sind nicht nur wunderschön geschrieben – Campbell war ein enger Freund des Schriftstellers Walker Percy, dessen Romane ich ebenfalls konsumiert habe –, sondern sie sind auch von einer Demut und Weisheit erfüllt, die Liberale, die weniger Zeit im selbstreferentiellen Kaninchenbau der sozialen Medien verbringen sollten, verloren haben. Campbell beschreibt Amerika, das routinemäßig Mord, Folter, Drohungen, Erpressung und Einschüchterung einsetzt, um all jene zu vernichten, die sich ihm zu Hause und im Ausland widersetzen, als "eine Nation von Klansmen". Er weigerte sich, eine moralische Linie zu ziehen zwischen dem amerikanischen Imperium, das viele Liberale verteidigen, und den entrechteten und wütenden Weißen, die sich in rassistischen Gruppen wie dem Klan zusammenfinden oder, Jahre später, Trump unterstützen würden. Er wusste, dass die Architekten des Imperiums und die herrschenden Kapitalisten, die die Arbeiter ausbeuten, die Demokratie behindern, staatliche Unterdrückung orchestrieren, obszöne Mengen an Reichtum horten und endlose Kriege führen, der wahre Feind sind.
Was es wirklich bedeutet, "radikal" zu sein
Campbell erinnert sich, dass er eingeladen wurde, nach der Vorführung einer Dokumentation von CBS mit dem Titel "The Ku Klux Klan: An Invisible Empire" ("Ku-Klux-Klan: Ein unsichtbares Imperium") zu dem Publikum zu sprechen. Der Film zeigte die Ermordung von drei Bürgerrechtlern in Mississippi, die Kastration des schwarzen Handwerkers Judge Edward Aaron in Alabama und den Tod von vier jungen Mädchen bei einem Bombenanschlag auf eine Sonntagsschule in Birmingham. Als der Film einen Klan-Rekruten zeigte, der sich nach rechts drehte, als der Exerziermeister "links" rief, brach das Publikum in "Jubel, Spott, Buhrufe und Gelächter" aus. Campbell schreibt, dass er "ein Übelkeitsgefühl im Magen verspürte".
Diejenigen, die sich den Film ansahen, gehörten zu einer Gruppe, die von der National Student Association einberufen worden war und die zu der radikalen "Neuen Linken" der sechziger Jahre zählte. Die Gruppe setzte sich für eine demokratische Gesellschaft ein – so wie die "Port Huron"-Gruppe, junge weiße Männer und Frauen, die Proteste an den Universitäten im ganzen Land anführten, Gebäude niederbrannten, den Begriff "Pigs" für Polizisten prägten. Viele stammten aus wohlhabenden Familien.
"Sie waren Studenten oder frischgebackene Absolventen reicher und führender Hochschulen und Universitäten", schreibt Campbell über das Publikum. "Sie waren gemein und hart, aber irgendwie spürte ich, dass es keinen Radikalen in der Runde gab. Denn wenn sie radikal gewesen wären, wie hätten sie dann über einen armen, unwissenden Bauern lachen können, der seine linke Hand nicht von seiner rechten unterscheiden konnte? Wären sie radikal gewesen, hätten sie geweint und gefragt, was ihn dazu gebracht hat. Und wenn sie radikal gewesen wären, hätten sie nicht da gesessen und einen Film aufgesaugt, der zu ihrer Erbauung und zu ihrem Vergnügen vom Establishment des Establishments produziert wurde – CBS."
Campbell, der gebeten wurde, nach dem Film zu der Gruppe zu sprechen, sagte: "Mein Name ist Will Campbell. Ich bin ein Baptistenprediger. Ich bin gebürtig aus Mississippi. Und ich bin pro Klansman, weil ich pro Mensch bin." Im Saal brach Chaos aus. Er wurde als "faschistisches Schwein" und "Mississippi-Hinterwäldler" niedergeschrien. Die meisten gingen hinaus.
"Nur vier ausgesprochene Worte – 'pro Klansman, Mississippi, Baptist, Prediger,' gepaart mit einem visuellen Bild, weiß, hatte genügt, um sie in genau das zu verwandeln, was sie in dem Ku-Klux-Klan sahen – Feindseligkeit, Frust, Wut, Gewalttätigkeit und Irrationalität", schreibt Campbell. "Und ich war nie in der Lage, ihnen zu erklären, dass pro Klansman nicht dasselbe ist wie pro Klan. Dass das eine mit einer Person zu tun hat, das andere mit einer Ideologie."
"Die gleichen sozialen Kräfte, die die Gewalt des Klans hervorbrachten, haben auch die Gewalt in Watts, Rochester und Harlem, Cleveland, Chicago, Houston, Nashville, Atlanta und Dayton [Beispiele für Rassenunruhen in den USA, Anm. d. Red] hervorgebracht, weil sie alle Teile desselben Gewandes sind – soziale Isolation, Entbehrung, wirtschaftliche Bedingungen, Zurückweisung, arbeitende Mütter, schlechte Schulen, schlechte Ernährung und all der Rest", schreibt Campbell. Und genau diese sozialen Kräfte brachten auch die landesweiten Black-Lives-Matter-Proteste nach der Ermordung von George Floyd durch Polizisten und die Erstürmung des Kapitols durch einen wütenden Mob hervor.
Die nützlichen Idioten der Konzernmacht
Campbell hat nie eines der Mitglieder des Klans, die er kannte, gebeten, die Organisation zu verlassen, aus demselben Grund, aus dem er Liberale nie bat, "die respektablen und modischen Organisationen oder Institutionen zu verlassen, von denen sie ein Teil waren, die alle, wie ich lernte, wahrhaft rassistischer waren als ihr Klan".
Diese radikale Liebe war der Kern von Dr. Martin Luther Kings Botschaft. Diese Liebe prägte Kings unerschütterliche Gewaltlosigkeit. Sie führte dazu, dass er den Vietnamkrieg anprangerte und die US-Regierung als "den größten Verursacher von Gewalt in der heutigen Welt" verurteilte. Und sie führte dazu, dass er in Memphis ermordet wurde, als er einen Streik von Arbeitern für wirtschaftliche Gerechtigkeit unterstützte. Campbell lebte nach seinem oft zitierten Credo: "Wenn du einen lieben willst, musst du sie alle lieben." Wie King glaubte er an die erlösende und transformierende Kraft der Vergebung.
Die Eliten und ihre Höflinge, die ihre moralische Überlegenheit herausstellen, indem sie diejenigen verdammen und zum Schweigen bringen, die sich nicht der "politisch korrekten Sprache" anpassen, sind die neuen Jakobiner. Sie schwelgen in einer scheinheiligen Arroganz, die durch ihre Privilegien ermöglicht wird und die ihre Unterwürfigkeit gegenüber der Macht der Konzerne und ihre Amoralität verschleiert. Sie kämpfen nicht gegen soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit. Sie bringen mit der enthusiastischen Unterstützung der digitalen Plattformen im Silicon Valley diejenigen zum Schweigen, die von Unterdrückungssystemen erdrückt und deformiert werden, und diejenigen, denen ihre "fein entwickelte Höflichkeit" und ihre "Achtung vor sprachlichen Moden" fehlen. Sie sind die nützlichen Idioten der Konzernmacht und des entstehenden Polizeistaats. "Cancel Culture" ist nicht der Weg zur Reform. Es ist der Weg zur Tyrannei.
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Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt und erschien ursprünglich auf ScheerPost. Chris Hedges ist ein mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Journalist, der 15 Jahre lang Auslandskorrespondent der New York Times war, wo er als Büroleiter für den Nahen Osten und als Büroleiter für den Balkan für die Zeitung tätig war. Zuvor arbeitete er im Ausland für The Dallas Morning News, The Christian Science Monitor und NPR. Er ist der Gastgeber der für den Emmy Award nominierten RT-America-Show "On Contact".
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