Meinung

Hamas-Betätigungsverbot: Frau Faesers Gift für die Gesellschaft

Mit dem Betätigungsverbot der Hamas trägt die Innenministerin die Gewalt nach Deutschland. Das Strafrecht ist zur Bekämpfung von Rassismus das falsche Instrument. Die Bundesregierung agiert insgesamt unglaubwürdig, denn sie positioniert sich selbst auf der Seite der Gewalt.
Hamas-Betätigungsverbot: Frau Faesers Gift für die GesellschaftQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Chris Emil Janssen

Von Gert Ewen Ungar

"Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz, wir werden ihn mit aller Kraft bekämpfen."

Dies erklärte Innenministerin Nancy Faeser, womit sie das Betätigungsverbot der Hamas in Deutschland begründete. Gleichzeitig wird der Verein Samidoun verboten, weil er nach Einschätzung der Bundesregierung israel- und judenfeindliche Propaganda verbreitet. Konkret bedeutet das, Webseiten und Internetauftritte in sozialen Netzwerken werden zensiert, Gelder beschlagnahmt. Jede weitere Aktivität der Organisationen ist in Deutschland nun strafbewehrt. 

Damit hat Nancy Faeser das Problem gelöst und den Antisemitismus in Deutschland vollständig und effektiv bekämpft. Dass dieser letzte Satz natürlich sofort Widerspruch hervorruft, zeigt, was eigentlich jeder versteht: Die Verbote des Faeserministeriums ändern im Grundsatz nichts. Die laut Verfassungsschutz 450 Unterstützer der Hamas in Deutschland werden andere Wege der Kommunikation finden, die Finanzen werden über andere Kanäle fließen, das Verbot macht die Organisation für ihre Sympathisanten der weiteren Unterstützung nur noch attraktiver. 

Ganz unabhängig von der Frage, ob es sich bei der Unterstützung Palästinas automatisch um Antisemitismus handelt, wie die Bundesregierung anscheinend glaubt, ist das Strafrecht als Mittel zur Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus ungeeignet. Es ist im Gegenteil zu erwarten, dass sich die Spaltung der seit Corona ohnehin schon tief gespaltenen deutschen Gesellschaft noch weiter vertieft.

Abenteuerlich ist ohnehin die Begründung für das Verbot. Faeser führt vier Punkte an: Der Verein Samidoun richte sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Er beeinträchtige und gefährde das friedliche Zusammenleben und befürworte Gewalt zur Erreichung und Durchsetzung politischer Belange. Außerdem unterstütze er Anschläge gegen Personen und Sachen. 

Nun könnte man auf der Grundlage dieser vier Punkte in Deutschland ziemlich viele Organisationen und Institutionen verbieten. Von der Antifa über diverse steuerfinanzierte Thinktanks und die Berichterstattung des deutschen Qualitätsjournalismus zu den Themen Corona, Ukraine- und Nahostkonflikt bis hin zur Bundesregierung selbst. Die Begründung wirkt daher unfreiwillig komisch.

Was mit dem Verbot erreicht wird, ist, dass Deutschland erneut ein Stück repressiver wird, denn das Verbot muss durchgesetzt werden. Dazu braucht es Überwachung und Kontrolle. Es grenzt aus und unterdrückt. Das vorgegebene Ziel, den Antisemitismus in Deutschland zu bekämpfen, erreicht es nicht. Niemand, der die Politik Israels verurteilt und sich damit in Deutschland dem Vorwurf aussetzt, Antisemit zu sein, wird durch ein Betätigungsverbot der Hamas dazu gebracht, seine Meinung zu ändern und die Politik Israels plötzlich gut zu finden. Diese Menschen werden bestenfalls gegen die Bundesregierung und ihre Einseitigkeit aufgebracht. 

Ganz allgemein gilt: Wenn es in Deutschland gesellschaftliche Probleme zu lösen gibt, dann fallen deutschen Politikern immer nur die Verschärfung des Strafrechts und Verbote ein. Das Ziel ist stets, den Korridor des Sagbaren weiter zu verengen, andere Meinungen, Haltungen und Überzeugungen auszugrenzen und mundtot zu machen. Das ist das Mittel autoritärer Staaten.

Wem aber zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus nur das Strafrecht einfällt, der hat schon versagt. Wer zudem die Kritik an Israel mit Antisemitismus vermischt und gleichsetzt, der schürt das Problem vielmehr, das er angeblich bekämpfen will.

Das wird so nichts, Frau Faeser, denn das Gesetz "gefährdet das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern". Faeser macht genau das, was sie der Hamas und dem Verein Samidoun unterstellt.

Da Deutschland sich eng an der Seite Israels positioniert und sich als militärischer Unterstützer geradezu aufdrängt, Israel aber für alle Welt erkennbar schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht, die zudem von der Bundesregierung legitimiert und relativiert werden, ist zu erwarten, dass die gesetzgeberische Maßnahme als das eingeordnet wird, was sie ist: als einseitig, autoritär und ungerecht. Dagegen wird sich Widerstand regen. Um diesen Mechanismus zu verstehen, muss man keine zwanzig Semester Psychologie studiert haben. 

Mit dem Verbot begibt sich Faeser auf ganz dünnes Eis, auf dem sie wohl einbrechen wird, denn die Bundesregierung befürwortet und unterstützt in der Ukraine wie in Israel die "Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange". Auch das nennt Faeser als Grund für das Betätigungsverbot. Die Bundesregierung tut das, was sie anderen verbieten möchte. Dieser Widerspruch bleibt bestehen und kann argumentativ auch nicht aufgelöst werden, sondern nur mit Repression und Gewalt nach innen. 

Das Abhalten spontaner Jubelfeiern anlässlich der Terroranschläge der Hamas sei "besonders widerwärtig" weshalb es verboten werden muss, sagte Faeser. Das wirkt besonders verlogen, denn das Abhalten von spontanen Jubelfeiern in den sozialen Netzwerken, wenn bei ukrainischen Terroranschlägen Menschen in Russland ums Leben kommen, findet Nancy Faeser weder widerwärtig noch anstößig. Da sterben nach deutscher Staatsraison eben einfach die richtigen. Dass die deutsche Regierung angesichts des ukrainischen Terrors und seiner Opfer gegenüber der russischen Regierung die Zähne nicht auseinander bekommt, nimmt man dort übrigens sehr wohl zur Kenntnis. Die Opfer von Gewalt haben für die Bundesregierung je nach Pass unterschiedliche Wertigkeit. Diese Haltung nennt man übrigens Rassismus. 

Statt sich für Diplomatie und Frieden in Nahost einzusetzen, statt sich der Aufgabe zu stellen, Israel zur Einhaltung des Völkerrechts zu drängen, kriminalisiert man in Deutschland Gruppen, die in einem verschwindend kleinen Umfang das tun, was die deutsche Bundesregierung im großen Stil für deren Gegenseite tut – aus Staatsräson, wie es heißt. Dabei sollte völlig klar sein, dass die Unterstützung von Unrecht und Gewalt niemals Staatsraison sein darf. Mit der Strategie, Kritik daran als antisemitisch zu brandmarken, setzt sich die Bundesregierung nur noch weiter ins Unrecht. 

Es muss jedem Mitglied der deutschen Bundesregierung, jedem Abgeordneten im Bundestag klar sein, dass der Westen und Deutschland mit ihrer einseitigen Parteinahme für Israel auch noch den allerletzten Rest an Glaubwürdigkeit in der Welt verloren haben. Dass Deutschland für irgendeinen "Wert" steht, glaubt nach dem, was das politische Deutschland in Gaza gutheißt und mit dem "Recht auf Selbstverteidigung" begründet, niemand mehr. Dass die Bundesregierung auch in der Ukraine auf der Seite der Gewalt steht, muss man dann gar nicht mehr erwähnen. Es passt ins Bild, das Deutschland nach außen abgibt. 

Das Faeser-Gesetz hat das Potenzial, die Gewalt im Inneren Deutschlands anzuheizen, denn es ist tief ungerecht. Es behandelt Gleiches ungleich und ist damit Unrecht im eigentlichen Sinne. Ein Rechtsstaat, der Israel bedingungslos unterstützt, muss auch die bedingungslose Unterstützung der Palästinenser zulassen. Ansonsten ist er eben kein Rechtsstaat mehr. 

Wer Gewaltanwendung zur Erreichung politischer Ziele ablehnt, muss das umfassend tun, um glaubwürdig zu bleiben, und sich auf allen Ebenen für Diplomatie und Verständigung einsetzen. In Nahost, in der Ukraine, überall. Deutschland tut das nicht. Die Haltung der Bundesregierung, die Gewalt Israels zu legitimieren und zu unterstützen, führt notwendig zu Gegengewalt – in Nahost und absehbar immer häufiger auch auf den Straßen in Deutschland. 

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