Meinung

Das war's für Israel: Akela hat den Sprung verfehlt

Israel hat nun offenbar doch auf den iranischen Vergeltungsschlag mit einem eigenen Drohnenangriff reagiert. Dieser war jedoch so schwach, dass er das Ende der militärischen Dominanz Tel Avivs im nahen und mittleren Osten eher bestätigt als widerlegt.
Das war's für Israel: Akela hat den Sprung verfehltQuelle: Gettyimages.ru © Fatemeh Bahrami/Anadolu

Von Irina Alksnis

Nach dem Angriff durch Drohnen angeblich unbekannter Herkunft auf iranisches Territorium in der Nacht zu Freitag und der inoffiziellen Behauptung Tel Avivs in den israelischen Medien, dafür verantwortlich zu sein, wurde klar, dass Israel den Schlamassel, den es selbst mit dem Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus angerichtet hat, schmerzhaft auslöffeln muss.

Irans Vergeltungsschlag vor einer Woche war der massivste Raketen- und Drohnen-Angriff in der Geschichte des Landes und sorgte zunächst für widersprüchliche Einschätzungen. Eine solche Inflation von Erwartungen, ein solches Feuerwerk, und das Ergebnis war praktisch null – praktisch keine Zerstörung, und der Löwenanteil der abgefeuerten Mittel wurde von der israelischen, amerikanischen und jordanischen Luftabwehr abgefangen. Als sich der Staub gelegt und die Emotionen abgekühlt hatten, wurde jedoch deutlich, dass die Aktion ein großer Erfolg für Teheran war.

Militärexperten betonen mehrere relevante Punkte:

Der Iran hat seine Ziele bewusst und zielgerichtet so gewählt, dass Israel nicht ernsthaft geschädigt wird. Der Angriff war eher eine Demonstration seiner Fähigkeiten.

Der Angriff hat das israelische Luftverteidigungssystem vollständig entblößt, denn nicht nur die israelischen Streitkräfte, sondern auch die in der Region stationierten Amerikaner, Briten und Franzosen arbeiteten mit allen Kräften daran, die zahlreichen Flugkörper abzufangen.

Alle vom Iran abgefeuerten Hyperschallraketen überwanden die Luftabwehr und erreichten ihre Ziele.

Die Luftabwehr konnte nicht nur den Hyperschallraketen nichts anhaben, sondern auch mindestens neun ballistischen Flugkörpern, die ebenfalls ihr Ziel erreichten.

Alles in allem hat der Iran der Welt unmissverständlich gezeigt, dass er Israel sehr ernsthafte Schwierigkeiten bereiten kann, wenn er dies will – er hielt es nur dieses Mal nicht für nötig. Gleichzeitig hat Teheran ausdrücklich erklärt, dass er im Falle eines Angriffs auf iranisches Territorium sofort und sehr viel härter reagieren würde.

Danach hingen die Amerikaner Tel Aviv buchstäblich an den Händen und drängten darauf, den Vorfall als erledigt zu betrachten: Der iranische Angriff habe den israelischen Angriff auf das Konsulat in Damaskus kompensiert – der Fall sei abgeschlossen. Die israelischen Behörden und das israelische Militär gaben jedoch harsche Erklärungen ab und versprachen Vergeltungsmaßnahmen.

Normalerweise wird eine solch aggressive Haltung der Israelis als nicht sehr angemessen empfunden. Aber in Wirklichkeit ist die Situation komplizierter.
Israel hat sich jahrzehntelang als wilde, belagerte, aber unbesiegbare Festung einer den Nachbarn überlegenen Zivilisation positioniert – unbesiegbar gerade wegen seines technologischen Vorsprungs. Der iranische Angriff hat beide Mythen erschüttert und Israels Verwundbarkeit für alle sichtbar gemacht. Die israelische Führung hat völlig zu Recht erkannt, dass er dem gesamten Nahen Osten die wachsende Schwäche des jüdischen Staates signalisiert und die antiisraelische Stimmung in der Region bestärkt hat. Angesichts der Ereignisse der letzten Monate und des Vorgehens der Israelis im Gazastreifen gibt es immer mehr Menschen in der Region, die sich an ihnen rächen wollen.

Der Wunsch Tel Avivs, aktiv zu reagieren, ist also durchaus verständlich: Israel ist in eine sehr gefährliche Phase seiner Geschichte eingetreten, die für das Land sogar existenziell werden kann, und jetzt ist es sehr wichtig, dass es zeigt, dass es keine Angst hat und die Kraft hat, jeden Feind zu bekämpfen.

Nur hat sich herausgestellt, dass der Iran mit seinem Angriff die israelischen Behörden in eine Ecke getrieben hat, aus der es einfach keinen guten Ausweg gibt. Tel Aviv kann es sich nicht leisten – und die Amerikaner werden es nicht zulassen –, einen Angriff zu starten, der dem Angriff Teherans gleichkommt. Daher wurde heute Nacht die Option eines "begrenzten" und "schwachen" pseudoanonymen Angriffs gewählt, der keine schwerwiegenden Folgen hat und sozusagen keine umfassende Reaktion Teherans nach sich zieht. Damit verbunden war ein Eingeständnis in den Medien, dass "Israel aus strategischen Gründen nicht die Verantwortung für den Angriff übernehmen wird".

Kleine "Bisse" sind natürlich unangenehm, und eine verhältnismäßige und angemessene Reaktion darauf ist schwierig. Russland weiß das aus eigener Erfahrung, wenn ukrainische Drohnen unsere Unternehmen und Flugplätze tief im eigenen Land erreichen. Diese Angriffe demonstrieren, dass der Feind einfach nicht in der Lage ist, mehr zu tun und die für ihn ungünstige Situation im Allgemeinen nicht umkehren kann. Sie sind im Grunde genommen ein Beweis für seine Schwäche.

Das wichtigste Ergebnis der Ereignisse der letzten Wochen ist, dass es für jeden offensichtlich geworden ist, dass Israel seine langjährige Überlegenheit gegenüber seinem offen feindlichen Umfeld verloren hat. Diese Enthüllung verheißt nichts Gutes für Israel – und ironischerweise hat sich Tel Aviv das alles mit seinen eigenen Händen eingebrockt.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 19. April 2024 auf ria.ru erschienen

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