Russland

Nach Anschlag: Russische Staatsduma diskutiert Wiedereinführung der Todesstrafe

Nach dem Terroranschlag auf die Crocus-Konzerthalle bei Moskau fordert die russische Regierung eine Verschärfung der Sicherheits- und Migrationspolitik. Besonders umstritten ist die Aufhebung des Moratoriums zur Vollstreckung der Todesstrafe.
Nach Anschlag: Russische Staatsduma diskutiert Wiedereinführung der TodesstrafeQuelle: Sputnik © Ilja Pitaljow

Der Terroranschlag auf die Konzerthalle Crocus City Hall, bei dem laut jüngsten Angaben 139 Menschen ums Leben kamen, hat in Russland die Debatte über die Wiedereinführung der Todesstrafe neu entfacht. Unter anderem Ex-Präsident Dmitri Medwedew und der Sprecher der Staatsduma Wjatscheslaw Wolodin betonten, es sei notwendig, Terroristen zu eliminieren. Auch der LDPR-Vorsitzende Leonid Sluzki forderte eine Ausnahme vom Moratorium für bestimmte Kriminelle.

Wladimir Wassiljew, der Chef der Partei Einiges Russland, erklärte, die Wiedereinführung der Todesstrafe würde "den Stimmungen und Erwartungen" der Gesellschaft entsprechen. Waleri Fadejew, der Vorsitzende des Menschenrechtsrates in Russland, schlug vor, dass "für die Dauer des Krieges mit dem Westen" die Todesstrafe für eine begrenzte Liste von Verbrechen, einschließlich Terrorismus, wieder eingeführt werden könnte. Sobald sich die Situation verbessere, könne die Todesstrafe wieder abgeschafft werden.

Die Gesellschaftliche Kammer Russlands zeigte sich bereit, den Vorschlag zu prüfen, berichtet die Zeitung Iswestija unter Berufung auf den Duma-Abgeordneten Alexander Spiridonow von der Partei Einiges Russland. Das Blatt zitiert:

"Terrorismus gegen wehrlose Menschen ist das abscheulichste und niederträchtigste Verbrechen. Für einen solchen Menschen kann es weder Gnade noch Vergebung geben. Es ist unmöglich, die Schuld für dieses Verbrechen vor den Angehörigen und der Gesellschaft mit einer Haftstrafe, auch einer lebenslangen, zu tilgen. Ich glaube, dass es sich lohnt, erneut über die Aufhebung des Moratoriums und die Einführung der Todesstrafe für Terrorismus in das Strafgesetzbuch nachzudenken."

Auch Maxim Grigorjew, der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für öffentliche Kontrolle und Bearbeitung von Bürgerbeschwerden, machte deutlich, dass die Kammer die Initiative diskutieren werde, sollte sie der Staatsduma vorgelegt und von dieser weitergeleitet werden.

Sergei Mironow, der Vorsitzende der Fraktion Gerechtes Russland – Für die Wahrheit, betonte, er habe sich stets für die Einführung der Todesstrafe für Terroristen eingesetzt. Sie sei "die einzig angemessene Strafe für die Schurken, die kaltblütig wehrlosen Menschen, Frauen, Alten und Kindern das Leben nehmen" und müsse auch als Warnung verstanden werden.

Wladislaw Dawankow, der Vize-Sprecher der Staatsduma, bestätigte, dass sich seine Kammer in naher Zukunft mit diesem Thema befassen wolle. Eine Lösung müsse jedoch darin bestehen, die Kontrolle über den Waffenhandel zu verstärken und an den Einwanderungsgesetzen zu arbeiten. Das Hauptargument gegen die Todesstrafe seien mögliche Justizirrtümer:

"Wenn es in einem Land 0,33 Prozent Freisprüche gibt, sind Fehler vorprogrammiert. Auf der Liste der Terroristen und Extremisten stehen heutzutage nicht nur radikale Militante, sondern auch Menschen, die niemanden getötet haben. Und diese Liste wird ständig erweitert."

Pawel Krascheninnikow, der Vorsitzende des Staatsduma-Ausschusses für Staatsaufbau, hielt ebenfalls dagegen: "Ich halte das für ein wichtiges, aber keineswegs das Hauptthema. Die begonnene Diskussion über die Todesstrafe könnte uns meiner Meinung nach in die falsche Richtung lenken. Umso wichtiger ist es für uns, dass sich solche Taten nicht wiederholen. Wir waren und sind dagegen."

Alexander Sorin, Doktor der Rechtswissenschaften, erklärte gegenüber Iswestija, dass die Todesstrafe die Zahl der Verbrechen nicht reduziert:

"Die Fehlerquote ist sehr hoch. Ich habe eine Studie über das amerikanische System gemacht: Auf 2.000 Todesurteile kommen 156 Fehler. Das heißt, jedes 13. Urteil ist ein Fehlurteil. Überzeugen Sie sich selbst. Auge um Auge – und die ganze Welt wird blind sein, wie Martin Luther King sagte. Eine lebenslange Freiheitsstrafe ist härter, weil sie einem Menschen das Recht auf Hoffnung nimmt."

Auch falls das Moratorium aufgehoben werde, sei die Todesstrafe für die Täter des Terroranschlags auf die Konzerthalle nicht vorgesehen, da das Gesetz nicht rückwirkend gelte, erklärte Sorin.

Ein Vertreter des russischen Verfassungsgerichts lehnte eine Stellungnahme ab, da die Frage in der gegenwärtigen Situation vom Verfassungsgericht geprüft werden müsse. Andrei Klischas, der Vorsitzende des Ausschusses für Verfassungsgesetzgebung, betonte, dass "weder die Staatsduma noch der Föderationsrat die Entscheidungen des Verfassungsgerichts zur Todesstrafe außer Kraft setzen können".

Die Aufhebung des Moratoriums für die Todesstrafe wird von Experten als sehr schwierig angesehen. Der Kreml erklärte, sich nicht an der Diskussion zu beteiligen. Im Jahr 2022 hatte sich Russlands Präsident Wladimir Putin gegen eine Rückkehr zur Todesstrafe ausgesprochen.

Das letzte Todesurteil in Russland wurde am 2. August 1996 vollstreckt. Unmittelbar nach seinem Beitritt zum Europarat führte das Land ein Moratorium für die Todesstrafe ein. Auch nach dem Austritt aus der Organisation im Oktober 2022, nachdem die Anwendung der Todesstrafe durch keinen internationalen Vertrag eingeschränkt ist, bleibt die Position des russischen Verfassungsgerichts in dieser Frage unverändert. 

Bei einer Sitzung der Staatsduma am Dienstag betonte Wolodin, dass in dieser Hinsicht keine Referenden notwendig seien, denn eine Entscheidung des Verfassungsgerichts genüge. Krascheninnikow erklärte daraufhin, man sei "bereit, Gesetzesentwürfe zu diskutieren". Die Entscheidung müsse allerdings mit kühlem Kopf getroffen werden.

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